Rezension – Tomatenlust statt Tomatenfrust

Tomatenlust von Ute und Martin Studer

Die Geheimnisse der Tomatenpioniere – Tipps für den Anbau richtig guter Tomaten

 

Im Moment lese ich ein Buch über Tomaten. Nun war ja das letzte Jahr ein Traumjahr für die wärmeverwöhnten Einwanderer aus Südamerika. Wahrscheinlich hatte 2018 kaum einer die Kraut- oder Braunfäule an seinen Tomaten, die in verregneten deutschen Sommern fast nicht auszuschließen sind. Außer man kann sich glücklich schätzen und hat im Frühjahr ein Tomatendach gebaut, ist stolzer Besitzer eines Gewächshauses oder man hat eine dieser überhaupt nicht aromatisch schmeckenden, resistenten und hartschaligen Sorten angepflanzt.

Der Buchtitel heißt Tomatenlust von Ute Studer mit Fotografien von Martin Studer und es ist gerade im Haupt Verlag Schweiz erschienen (1. Auflage, 03/2019).

Das Buch soll wieder Lust auf Tomatensorten machen, die man so lecker in keinem Laden, auch nicht im Bioladen, kaufen kann. Tomaten, die beim Reinbeißen eine Geschmacksexplosion auf der Zunge auslösen und den einen oder anderen vielleicht an frühe Kindheitstage erinnern könnte, als die Standard-EU-Tomate noch nicht reihenweise die Supermarktregale füllte.

© Martin Studer, Haupt Verlag

Mein Vater hatte früher immer zwei Tomatensorten im Garten. Die eine wurde gekauft und nannte sich ‘Harzfeuer’ und die andere war eine sogenannte Heirloom-Tomate, wie ich aus Utes Buch gelernt habe. Das bedeutet, eine Erbstück-Tomate. Dabei handelt es sich um eine samenfeste Tomate, bei der aus den Samen der Muttersorte immer wieder die gleiche Tomatensorte entsteht, was aber nicht bedeutet, dass eine Tomate genau wie die andere aussieht. Da können durchaus alle Größen dabei sein. Diese Tomate heißt bei meinem Vater schon immer Stabtomate, denn dafür baut er ein extra großes Tomatengerüst, ähnlich einer Bohnenstange, da sie den Hang hat, den Luftraum zu erobern. Ich frage mich natürlich….hat das nicht jede Tomate? Aber sicher ist, dass ich diese Tomate erben werde und dann bekommt sie den Namen ‘Ulrichs Lange’….oder so ähnlich….;-))

Den Samen sollte man für den Anbau im eigenen Garten immer aus einer sicheren Quelle beziehen, das heißt, von Freunden, Familie oder Saatgutherstellern, die biologischen Anbau betreiben. Bei experimenteller Freude natürlich auch durch Saatguttausch auf Saatgutbörsen. Auf keinen Fall sollte man einfach eine Supermarkttomate nehmen und dort den Samen gewinnen., da kommt evtl. nur eine Überraschung heraus. Billig wäre das ja, aber es kann sich dabei, gerade auch im Bio-Laden, um eine F1-Sorte handeln. Diese sind nicht samenfest und in der nächsten F2-Generation erhältst du die ganze Vielfalt an Tomaten dieser Elternpflanzen, aber nicht unbedingt die Sorte, die es vorher war.

Das heißt, Ute Studer beschreibt in ihrem Buch, wie man wirklich von Anfang an, also bereits beim Erwerb des Samens, aufpassen muss, dass das Erlebnis Tomatenanbau zur Tomatenlust statt zum Tomatenfrust wird. Im ersten Teil erfahren wir viel über Herkunft und Weiterverbreitung der Tomate, den Siegeszug von der Zierpflanze (sie wurde lange Zeit für giftig gehalten) bis sie endlich einen beliebten Platz in deutschen Nutzgärten erhielt.

Die Autorin beleuchtet aber auch sehr detailliert, wie sich der Tomatenanbau heutzutage in der EU gestaltet und inzwischen sogar weltweit einen Einfluss auf unser tägliches Essen nimmt. Da gibt es Tomatenmark, für den Verbraucher von unbekannter Herkunft, das als italienisch deklariert wird, aber trotzdem aus China kommt. Nein, dann doch lieber die eigene Tomate, aber nicht rund ums Jahr verfügbar. Einfach, wie früher, nur von Juni bis September. Es gibt doch noch so viel anderes Gemüse, das man im Winter oder Frühjahr essen kann.

Im Hauptteil des Buchs gehen wir mit Ute auf ihre Tomatenexperten-Reisen zu zwölf Spezialisten in Sachen leckere und vor allem auch gesunde, also pilzfreie Tomaten. Auch wenn die Erstellung eines Gartenbuchs einen enormen Aufwand bedeutet, so war das sicher der angenehmste Teil der Arbeit. Freunde treffen, die die gleiche Leidenschaft teilen, wie man selber. Besonders praktisch, dass der Ehemann von Ute, Martin Studer immer dabei war, da er inzwischen die Tomaten-Leidenschaft teilt und die tollen Fotos der Tomatenportrais und Tomatenexperten für das Buch fotografiert hat.

© Martin Studer, Haupt Verlag

Das geballte Wissen der Tomatenspezialisten aus ganz Europa sind ein unvergleichlicher Schatz, denn nicht alle Gartenspezialisten schreiben heute selber ein Buch oder führen einen Gartenblog, um das Wissen für die Nachwelt zu erhalten und Erfahrungen weiterzugeben. Um so erfreulicher, dass sich Ute auf diese Reise begeben hat, um uns die Erfahrungen, der vom Tomatenvirus infizierten Menschen, erlebbar zu machen.

Die zwölf Gartenportrais sind ergänzt durch eine kleine Auswahl an individuellen Sortenempfehlungen. Ich freue mich, dass ich die Sorte Black Cherry(Werbung zu Irinas Shop, eine der Gartenportrait im Buch) gerade selber aussäen konnte, denn sie wird mehrfach als gute Sorte im Buch empfohlen. Bei weltweit ca. 15.000 Tomatensorten sicher nicht einfach, eine Auswahl zu treffen.

© Martin Studer, Haupt Verlag

Jedes Gartenportrait enthält außerdem mindestens einen guten Tipp zur erfolgreichen und geschmackvollen Tomatenaufzucht ohne Krankheiten. Es geht um Mulchmaterialien und ob und wieviel Tomaten an Nährstoffen benötigen. Interessante Düngemethoden mit Bokashi oder Terra Preta haben genauso ihren Platz gefunden wie das Plangger Mikroflor (nie gehört vorher) oder ganz wichtig, die goldenen Gießregeln.

Wertvolle Tipps zur Samenernte, die dem Erhalt von geschmacklich bevorzugten oder altbewährten Tomatensorten dienen, sind anschaulich erklärt und mit tollen Fotos ergänzt. So klappt es dann auch mit dem Samentausch mit Freunden oder auf der Saatguttauschbörse. Denn bei der Gewinnung des samenechten Saargutes gibts schon einiges zu beachten. Auch wenn man das im privaten (nichtkommerziellen) Bereich etwas lockerer handhaben darf.

Der dritte Teil des Buchs enthält 10 Tipps für den Anbau richtig guter Tomaten von den Experten, die Ute selber bei ihrem eigenen Tomatenanbau anwendet.

© Martin Studer, Haupt Verlag

Selbst für Leute mit wenig Zeit zum Lesen kann ich diese Buch uneingeschränkt empfehlen. Es ist ansprechend gestaltet. Das Buchcover im Halbleinen ein Hingucker auf den ersten Blick. Der Grafiker hat hier ganze Arbeit geleistet. Das ganze Buch im ansprechenden Layout gestaltet und wundervoll ergänzt durch die Fotografien von Menschen und ihren Tomaten durch Ehemann Martin. Beim Betrachten der freundlich schauenden Gärtner kommt so eine positive Stimmung auf, dass man am Ende des Buchs keinen Zweifel mehr an einer erfolgreichen Tomatenzucht im eigenen Garten hat. Selbst verzweifelte Gärtner, die jahrelang mit Kraut- und Braunfäule oder anderen Pilzerkrankungen zu kämpfen haben, werden garantiert beim Lesen diese Buches Lösungen finden. Ich kann mir die Freude gut vorstellen, die Ute Studer beim Besuch der vielen sympathischen Tomatenexperten hatte.

Ein Sache fehlt mir im Buch aber doch. Wir Blogger sind immer angehalten, kritische Meinungen zu äußern..;-)) Beim eigenen Gartenportrait der Autorin hätte ich mir auch so ein nettes Foto von ihr im Garten gewünscht, wie bei den Porträts der Experten. Ute baut 40 eigene Sorten in ihrem 200-Quadratmeter-Kleingartenareal in Zürich an. Allerdings gibts ein Autorenporträt im Anhang….;-)

Als ich Ute Studer letzten Freitag das erste mal auf dem Verleih des Deutschen Gartenbuchpreises 2019 in Dennenlohe gesehen habe, begegnete mir eine ebenso sympathische Frau, wie ihre zwölf vorgestellten Tomatenfreunde. Sie gab mir gleich ihre E-Mail-Adresse, um nicht zu verpassen, wenn ich diesen Artikel schreibe. Sie war genauso ‘unprofessionell’, wie ich unterwegs…..ohne Visitenkarte. Aber es fand sich bei all den Flyern der Veranstaltung ein Stück Papier und ein Stift in meiner Tasche.

© Elke Schwarzer

Nochmal an dieser Stelle meinen Glückwunsch zum Verleih von gleich zwei Gartenbuchpreisen in Dennenlohe. Einmal erhielt das Buch Tomatenlust den zweiten Preis in der Rubrik ‘Bestes Garten- oder Pflanzenporträt’.

Für ‘außergewöhnliche Bücher und ihre Autoren’ erhielt das Buch den mit 3000 EUR dotierten Stihl-Sonderpreis.

Gestern habe ich meine 18 Sorten Tomaten in einer großen Multitopfplatte ausgesät, genau nach der Empfehlung von Irina Zacharias im Buch auf S. 89. Davor hatte ich schon drei andere Sorten traditionell ausgesät. Ich glaube ich hab jetzt auch den Tomaten-Virus….;-) Ich werde weiter berichten.

Tomatenlust: Die Geheimnisse der Tomatenpioniere – Tipps für den Anbau richtig guter Tomaten

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Autor: Sigrun Hannemann

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